Der menschliche Faktor

Der menschliche Faktor

20.12.2021

Der menschliche Faktor

In der Pflege spielt der menschliche Faktor eine primäre Rolle!

»Personaldienstleister« im Gespräch mit BAP-Vorstandsmitglied Mirjam Rienth und Verbandspräsident Sebastian Lazay.

Personaldienstleister (PD): Herr Lazay, der BAP hat Qualitätsstandards guter Zeit- arbeit in der Pflege aufgestellt. Warum hat sich Ihr Verband zu diesem Schritt entschlossen?

Lazay:
Die Pflege – und da sprechen wir hauptsächlich von der Senioren- und Krankenpflege – ist naturgemäß ein be- sonders sensibles Umfeld. Schließlich geht es um die Gesundheit von Men- schen und nicht selten um Fragen von Le ben und Tod. Fachkunde, Zuverläs- sigkeit und Empathie sind nur einige der entscheidenden Anforderungen, die wir als Personaldienstleister in diesem Bereich erfüllen müssen. Die Personal- dienstleister, die hier mit viel Verantwor- tungsgefühl wertvolle Arbeit leisten, soll- ten dies auch nach außen dokumentieren können. Das war der Anstoß für das BAP- Präsidium, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um Standards zu definieren.

PD: Die Agile Arbeitsgruppe, die den Kri- terienkatalog entwickelt hat, wurde von Ihnen geleitet, Frau Rienth. Wie sind Sie vorgegangen?

Rienth:
So individuell die Pflege und Medizin für Menschen ist, so individuell sind Bedarfe unserer Pflegeeinrichtun- gen und Kliniken, die unsere Personal- dienstleistung benötigen. Mir war es sehr wichtig, Mitglieder unseres Verbandes für unsere Arbeitsgruppe aufzustellen, die langjährige Erfahrungen in allen Bereichen der Pflege aus allen Regionen Deutschlands mitbringen und vom kleinen bis zum großen Personaldienstleister die ganze Bandbreite unserer Mitglied- schaft repräsentieren. Wir haben uns sehr ausführlich zunächst ausgetauscht, wel- che unterschiedlichen Herausforderun- gen wir im Alltag haben, und festgestellt, dass unsere Dienstleistung vielseitig und sehr unterschiedlich gefragt ist. Unsere Arbeit bestand darin, unsere Arbeitsprozesse zu analysieren, gemeinsame Nenner zu finden und abschließend den Arbeit- nehmerüberlassungsprozess qualitativ zu definieren.

PD: Eine repräsentative, aber auch sehr heterogene Zusammensetzung! Wie hat sich das ausgewirkt?

Lazay:
Ich selbst kenne das besondere Umfeld der Pflege, war aber selbst nicht Mitglied der Arbeitsgruppe. Ich habe mich immer wieder über die Fortschritte der dortigen Arbeit informieren lassen. Das war sehr interessant, weil schnell klar wurde, dass es durchaus regionale und sektorale Unterschiede und Erfah- rungen der beteiligten Mitgliedsunternehmen gab, die auf eine Linie gebracht werden mussten. Um nur ein Beispiel zu nennen: In der Altenpflege kommt es in manchen Regionen vor, dass Zeitarbeits- kräfte aus einem festen Pool auch schicht- weise als sogenannte Springer eingesetzt werden, während insbesondere in der Krankenpflege längerfristige Ein- sätze über mehrere Monate in einigen Regionen eher die Regel sind.

PD: Also nur der kleinstmögliche Kompromiss, Frau Rienth?

Rienth
Überhaupt nicht, weil wir immer die vier beteiligten Akteure – pflegende Zeitarbeitskraft, zu Pflegende, Kundeneinrichtung und Personaldienstleister – mit ihren Bedürfnissen und Ansprüchen im Auge behalten und die BAP-Qualitäts- standard für gute Zeitarbeit in der Pflege daran ausgerichtet haben. Aufgrund der regionalen und sektoralen Unterschiede war aber auch klar, dass die Qualitätskriterien nicht zu kleinteilig werden durften, sondern den BAP-Mitgliedern die auch in der Politik so häufig genannten Leitplanken bieten müssen.

PD: Welcher Leitgedanke steckt hinter dem BAP-Kriterienkatalog für gute Zeit- arbeit in der Pflege, Herr Lazay?

Nicht nur in der Pflege, aber hier besonders, gilt, dass Personaldienstleis- ter eine hohe Expertise bei der Überlassung und Vermittlung von Beschäftig- ten an andere Arbeitgeber haben. Die Leistung der Personaldisponenten, -referenten und ihren Führungskräften ist etwas, das in der öffentlichen Debatte oft untergeht. Kunden und Beschäftigte er- folgreich zusammenzuführen basiert auf viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Das kann eine Software heute alleine noch nicht bewältigen. Deshalb spielt gerade in der Pflege der menschliche Faktor eine primäre Rolle. Bei aller Unterstützung von digitalisierungsfortschrit- ten müssen die handelnden Personen den Prozess verantwortungsvoll gestalten.

PD: Frau Rienth, könnten Sie das bitte das anhand von einem Beispiel konkretisieren?

Rienth:
Pflegeberufe sind die mensch- lichsten Berufe in unserer Gesellschaft. Sie erfordern Empathie, menschlichen Umgang, sehr viel »Handarbeit« neben hochkomplexen Fachwissen über Men- schen, Medizin, Wissenschaft. Es macht einen sehr großen Unterschied, ob die Menschen sich darin auch mit ihrer Per- sönlichkeit begegnen können, sie die richtigen Erfahrungen mitbringen und wie sie ihren Berufsethos definieren. Digi- talisierung erleichtert uns viele Arbeits- prozesse, im Bereich der Pflege ist die menschliche Kompetenz und Wertschät- zung des Lebens die wichtigste Grund- lage. Die gilt es hochprofessionell in unse- rem Dienstleistungsprozess zu sichern, zum Beispiel durch den intensiven per- sönlichen Kontakt zur Kundeneinrich- tung, um so auch die wirklich passende Zeitarbeitskraft dort einsetzen zu kön- nen und um eine adäquate Einarbeitung sicherzustellen.

PD: Wie verbindlich sind die Qualitätsstan- dards für Ihre Mitglieder, Herr Lazay?

Lazay:
Jedes Mitgliedsunternehmen, das nach außen die Einhaltung unserer Qualitätsstandards in der Pflege zeigen möchte, muss sich zunächst dem BAP gegenüber hierzu verpflechten. Wir gehen damit also über unsere üblichen Standards für alle Mitglieder hinaus. Sollten wider Erwarten einmal Schwierigkeiten in der Umsetzung offenbar werden, steht unser BAP-Schiedsgericht zur Klärung bereit, denn die Qualitätskriterien sind Bestandteil unseres Verhaltenskodex.

PD: Was müssen BAP-Mitglieder tun, Frau Rienth, um sich selbst auf den Kriterien- katalog zu verpflichten?

Rienth:
Sie müssen die unterschriebene Selbstverpflichtungserklärung an unsere Verbandsgeschäftsstelle zurückschicken, damit der BAP die beteiligten Mitglieds- unternehmen registrieren kann. Und sie müssen natürlich die Qualitätsstandards einhalten. Dabei es ist angesichts der großen Personalengpässe in der Pflege immens wichtig, dass wir Menschen in der Pflege halten und somit durch unsere Dienstleistung unsere Kundenein- richtungen und -kliniken unterstützen. Deshalb ist eine Prüfung, Entwicklung und Förderung aller unserer täglichen Prozesse Grundlage unserer Arbeit. Wir bieten nun einheitliche Werte und Hand- lungsleitlinien, die diese eigene Reflexion ermöglichen und fördern.

PD: Und was erhalten BAP-Mitglieder im Gegenzug?

Der BAP übernimmt derzeit die Inhalte der neuen Qualitätsstandards in seine Kommunikationsstrategie. Er wird sie so in der Öffentlichkeit bekannt machen. Dieses Gespräch ist schon ein Beispiel dafür. Aber viele weitere Maßnah- men in Print und Online werden folgen. Damit unterstützen wir die teilnehmenden Mitgliedsunternehmen ganz praktisch bei ihrer Arbeit. Es ist sicherlich bekannt, dass der Einsatz von Zeitarbeit in der Pflege teilweise umstritten ist. Umso wichtiger ist es, sich durch Qualität abzugrenzen. Als leicht sichtbares Erken- nungszeichen können die beteiligten Personaldienstleister das neue Signet für unsere Qualitätskriterien einsetzen. Es bestätigt, »Anwender der BAP Pflege Standards« zu sein.

Rienth:
Außerdem bekommen diese Mitglieder den BAP-Kriterienkatalog als Bro- schüre, die sie zum Beispiel ihrem Angebot an eine potentielle Kundeneinrichtung beilegen können. Damit weiß der Kunde sofort, welche Qualitätsstandards der Personaldienstleister einhält. Dass dazu unter anderem Transparenz gegenüber dem Kunden gehört – auch bezüglich der Kosten übrigens –, dürfte schon ein wichtiger vertrauensbildender Aspekt sein. Und Vertrauen zwischen Kunden und Zeitarbeitsunternehmen ist genauso wie Vertrauen zwischen pflegender Zeitarbeitskraft und Personaldienstleister eine Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige Zusammenarbeit. Mit der Broschüre und dem BAP-Signet haben unsere Mitglieder, die sich zu den Qualitätsstandards guter Zeitarbeit in der Pflege selbstverpflichten, also etwas sehr Konkretes in der Hand, mit dem sie sich deutlich von anderen Anbietern abheben können.

PD: Frau Rienth, Herr Lazay – vielen Dank für dieses Gespräch! 

 

 

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